Preis- und Konditions-systeme – Stellhebel für profitables Wachstum 2/2

Der 1. Stellhebel: Preise und Konditionen realisieren

In der Praxis „wandern“ die Lieferanten – aufgefordert von ihren Kunden – auf der Preistreppe abwärts von den Brutto- oder auch Listen-Preisen in Richtung der Netto-Preise (von links nach rechts). Das liegt an Konditionen wie diversen Rabatten, Boni und Skonti. Im Idealfall helfen diese Konditionen, differenziert nach definierten Kundensegmenten, zu agieren. Viele Verkäufer kommentieren Konditionen allerdings wie folgt: „Meine Kunden interessiert eh nur der Netto-Preis, wie der zu Stande kommt, ist denen egal!“ So einfach ist es natürlich nicht, denn wer Konditionen gewährt, sollte Bedingungen definieren und vom Kunden entsprechende Gegenleistungen einfordern. Er will Anreize setzen und Kunden fair behandeln. Aufgrund der bereits beschriebenen Defizite aus den Analysen bei den Preisen und Konditionen empfiehlt es sich, folgende Bedingungen zu definieren und einzuhalten (Homburg und Daum 1997):

  • Kunden segmentieren und priorisieren: Wie kann ich die für das Unternehmen wichtigen Kunden entwickeln, binden oder ausbauen? Nach definierten Kundenklassen werden die jeweiligen Rabatte und Boni ausgerichtet.
  • Das Prinzip Leistung für Gegenleistung beherzigen: Nur wenn der Kunde seinen Teil der Verpflichtung erfüllt, erhält er die vereinbarten Konditionen. Entscheidend ist, wie konsequent das System in der Praxis tatsächlich eingehalten wird bzw. werden kann. Wird zugelassen, dass kleinere, weniger potenzialstarke Kunden bessere Konditionen erhalten? Erhält der Kunde Skonto, obwohl er sich nicht an die gesetzte Frist gehalten hat? Setzen wir Mindermengenzuschläge aus, obwohl der Kunde immer wieder Kleinstaufträge einfordert, die einen hohen administrativen Aufwand nach sich ziehen? Zahlen wir den Bonus aus, obwohl der Händler die vereinbarten Verkaufsförderungsaktivitäten vom Händler nicht initiiert hat? Das System lebt nur, wenn es so konsequent wie irgendwie möglich angewandt wird.
  • Die Komplexität der Konditionselemente begrenzen: Je mehr Rabatt- und Boni-Formen eingesetzt werden, umso weniger verstehen Kunden und Verkäufer deren Sinn und Zweck. Sie verlieren dann schnell den Überblick und fragen nach dem Rettungsanker Netto-Preis. Daneben besteht auch die Gefahr, dass Kunden bei Mitbewerberangeboten die eigenen Preise falsch ansetzen oder bewerten, da sie den Endpreis nicht korrekt nachvollziehen können.
  • Ermessensspielräume definieren: Wie weit lassen sich die Elemente des eigenen Systems durchsetzen? Welche Ausnahmen werden geduldet? Bei Ausschreibungen dürfen z. B. oft ausschließlich Netto-Preise gewährt werden, alles andere führt zum Ausschluss. Das bedeutet, zu den Regeln des Kunden anzubieten oder vom Angebot zurückzutreten. Das Tagesgeschäft fordert immer wieder Kompromisse, die nicht zu umgehen sind. Gefährlich wird es nur, wenn viele Ausnahmen zur Regel werden und die Systematik nicht mehr aufrechterhalten werden kann.

Aus zahlreichen Diskussionen mit beteiligten Praktikern wissen wir, dass die genannten Kriterien in der Regel unstrittig sind. Mit der vermeintlichen Macht der Kunden wird jedoch mangelnde Durchsetzbarkeit begründet. 

„Das darf jedoch kein Argument sein, die Systemlogik eines Konditionssystems abzulehnen.“

Homburg und Daum 1997

Der 2. Stellhebel: Service-Leistungen realisieren

Sie haben es wahrscheinlich schon beim ersten Stellhebel „Preise und Konditionen realisieren“ gespürt: Geschenkt wird einem leider nichts. Konditionen nach dem Prinzip „Leistungen für Gegenleistungen“ zu verkaufen, ist eine knackige Herausforderung für die Akteure, welche diese Bedingungen umsetzen dürfen oder müssen. Betrachten wir nun den zweiten Hebel, der ebenfalls helfen soll, die Profitabilität zu steigern. Insgesamt ist zu beobachten, dass die Logistik zu einem wichtigen Wettbewerbsparameter geworden ist. Zunehmend werden Teile der Distribution auf den Hersteller (zurück-)verlagert, was zunehmend Lieferengpässe zur Folge hat. Gleichzeitig erhöhen sich die Logistikkosten beim Hersteller. Es müssen immer differenziertere Wünsche mit kleineren und häufigeren Lieferungen erfüllt werden, ohne dass dies auf der Rechnung erscheint. Auf jeden Fall reduzieren die Kosten für derartige Leistungen den Netto-Preis und führen auf unserem Preiswasserfall zu einem erheblich niedrigen Netto-Preis. Nicht selten handelt es sich dabei um einen beträchtlichen Teil des Ertrages, der pro Jahr verloren gehen. Viel Geld verschwindet aktuell für wenig Wahrnehmung auf Kundenseite.

Unter diese Services fallen z. B.

  • Transporte der jeweiligen Waren zum Lager des Kunden; falls gewünscht auch bis ins Regal oder in die jeweiligen Abteilungen. Dem Logistiker entstehen Extrakosten, wenn er die Ware beim Kunden in dessen Lager und Regale räumt. Das wird er selbstverständlich seinem Auftraggeber berechnen.
  • Konsignationslager beim Kunden, bei denen die Bezahlung an den Lieferanten erst erfolgt, wenn die Ware aus dem Lager entnommen wird. Der Kunde bindet demzufolge kein eigenes Kapital, die Ware ist jedoch deutlich besser verfügbar und mögliche Lieferschwierigkeiten des Lieferanten fallen weniger ins Gewicht. Der Partner jedoch finanziert das Lager, indem er die Ware bereitstellt und erst bei Verbrauch berechnet und hierbei auch Warenverluste durch Verfall (z. B. bei Randartikeln mit geringem Umschlag) auffangen muss.
  • Handling von Kleinstaufträgen und tägliche Lieferungen. Kunden bündeln oft nicht die Aufträge und legen sich auch nicht auf verbindliche Anlieferungstage fest, sondern verlangen flexible Lieferungen. Das verringert die eigenen Lagerkapazitäten, der Lieferant hingegen zahlt drauf und hat deutlich mehr Aufwand.
  • Versandstufenabweichungen, die wiederum zu teuren Kommissionszugriffen beim Lieferanten führen. Sobald die Ware aus den definierten Einheiten getrennt wird, entsteht kostenintensiver Zusatzaufwand auf Lieferantenseite. Niemand macht sich, in Unkenntnis des Lieferantenprozesses, ernsthafte Gedanken hierüber.
  • Retouren. Der Kunde sendet die Ware an den Hersteller zurück. Ursachen sind beschädigte Waren, Falschlieferungen, Stornierungen einer Bestellung oder eine Mengenabweichung zur tatsächlichen Bestellmenge. Nicht immer liegt allerdings der Grund beim Hersteller, oft liegt es auch an falschen Bestellungen oder unsachgemäßer Behandlung der Ware durch den Kunden. In etlichen Fällen könnte die Ware auch pragmatisch beim Kunden verbleiben, da ohnehin kurzfristig der nächste reguläre Auftrag platziert wird.

Viele der hier kurz beschriebenen Leistungen lassen sich nicht vermeiden oder bieten dem Kunden einen konkreten Nutzen. Trotzdem sollte partnerschaftlich mit dem Kunden herausgefunden werden, welche Services wirklich wertschöpfend und erforderlich sind, um die Zusammenarbeit nachhaltig zu verbessern und unnötige Kosten zu vermeiden. Lassen sich kleinere Aufträge nicht zu größeren Bestellungen bündeln? Muss jeden Tag geliefert werden, oder reicht nicht eine andere Frequenz mit fixen Liefermengen? Wie können Retouren vermieden werden? „Tue Gutes und rede darüber“ ist deshalb die Minimalanforderung zum Thema Logistik! Dadurch wird Wahrnehmung auf Kundenseite erzielt.

Der 3. Stellhebel: Mehrwertleistungen realisieren

Stellhebel 3 bietet den handelnden Akteuren zwei Optionen, um einen höheren als den aktuellen Brutto-Preis zu erzielen: (1) Preise zu erhöhen und (2) dem Kunden messbaren Mehrwert zu verkaufen, für den er im Gegenzug bereit ist, mehr zu zahlen.

Option 1: Preise erhöhen 

Höhere Preise steigern den Gewinn prozentual drei- bis viermal stärker als z. B. die Verbesserung des Absatzes. Diese etablierte Gesetzmäßigkeit wird durch die Abb.1 bestätigt.

Abb. 1: Gewinnlenkende Faktoren im Überblick
Quelle: Harvard Business Manager (1996) (basierend auf durchschnittlichen Kennziffern von 2463 Unternehmen in der Compusat Datenbank)

Grundsätzlich können Preise auf breiter Basis für alle Kunden und Produkte bzw. Dienstleistungen angehoben werden. Oder es werden differenziert nach ausgewählten Produkten und Dienstleistungen und/oder Kunden Preise – häufig Tiefstpreise – bereinigt, um nicht unter einen bestimmten Break-Even-Punkt zu rutschen und die Best-Price-Forderungen von Einkaufsverbünden beherrschbar zu machen. Auf jeden Fall gelten für die betroffenen Kunden nach erfolgreicher Einführung gestiegene Brutto-Preise. Preise zu erhöhen, stabilisiert in mengenschwachen Märkten die Erträge. Triftige, reale Gründe lassen sich für Preiserhöhungen schnell finden: steigende Rohstoffpreise, erhöhte Energie- und Transportkosten, Unterauslastungskosten der Produktion, geändertes Bestellverhalten der Kunden, die immer flexibler und kurzfristiger beliefert werden wollen, um die eigenen Lagerbestände minimieren zu können. Stillschweigend verlagern sie somit die logistischen Herausforderungen auf ihre Lieferanten. Was in der Theorie und auf den Folien der Berater einleuchtend klingt, wird in der Praxis jedoch häufig als riskante Strategie wahrgenommen (Schuppar 2010). Die Bereitschaft der Kunden, höhere Preise zu akzeptieren, ist – je nach Hintergrund und Abhängigkeit vom Lieferanten – unterschiedlich ausgeprägt. Die Schlüssel zum Erfolg heißen deshalb Selektion und Differenzierung. Die Preise für jeden Artikel und jeden Kunden um 3 % zu erhöhen, funktioniert erfahrungsgemäß nicht. Wir werden bei der Umsetzung darauf noch näher eingehen. In jedem Fall erfordert es Mut, exzellente Vorbereitung, Konsequenz und Nachhaltigkeit in der Durchsetzung sowie Qualität in den Kundenverhandlungen, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Besonders wichtig ist es, einschätzen zu können, wie viele Kunden in welchem Umfang vermutlich abspringen werden. Denn: Sowohl die Kunden – orientiert am Geiz-ist-geil-Klima – als auch der Wettbewerb, der seine Chance wittert, drücken oft parallel auf die Preise. Preisexperten überspitzen dazu: 

„Wenn Preise erhöht werden, ohne dass dabei Kunden verloren gehen, dann ist die Erhöhung zu niedrig ausgefallen“ 

Sebastian et al. 2000

Seriös ausgedrückt, muss man Kundenverluste einkalkulieren und den entsprechenden Umfang sowie mögliche Konsequenzen mit dem Vertrieb frühzeitig abstimmen.

„Wer den Verlust fürchtet, wird keine Gewinne machen!“ 

George Soros, amerikanischer Investor ungarischer Herkunft und Betreuer vieler Fonds, *1930

Weiterhin sollten vorab das konjunkturelle Klima, der Zeitpunkt, die Position des Wettbewerbs, die eigene Marktposition und auch die Loyalität der Kunden bewertet werden. Tiefer wollen wir an dieser Stelle nicht in das strategische Für und Wider möglicher Preiserhöhungen einsteigen. Die neuen Preise müssen allerdings marktgerecht sein, um erfolgreich und langfristig implementiert zu werden.  Wir wissen aus eigener Erfahrung, wie herausfordernd diese Aufgabe ist. Für den Vertrieb handelt es sich dabei, neben der Akquisition neuer Kunden, um die Königsdisziplin. Deshalb geraten auch erfahrene Verkäufer unter Stress, wenn sie Preiserhöhungen verhandeln sollen.

Option 2: Mehrwertleistungen verkaufen

„Es wird immer schwieriger, sich in unserer Branche zu behaupten. Die Produkte sind weitestgehend vergleichbar, Leistungs- oder Innovationsvorsprünge werden schnell wieder eingeholt und Billiganbieter drängen verstärkt auf den Markt. Darüber hinaus werden wir durch Konzentrationstendenzen abhängiger von Großkunden und Einkaufsgemeinschaften. In Verkaufsgesprächen dreht sich zunehmend alles um den Preis“.

Diese Einschätzung von Top-Managern aus einer Befragung (Mercuri Studie – Value Selling Revisited Finale Auswertung 2015) verdeutlicht: Sich vom Wettbewerb alleine über Produktleistungen zu differenzieren und höhere Preise zu fordern, wird schwieriger, solange es nicht gelingt, aus der traditionellen Lieferantenrolle herauszukommen. Viele Hoffnungen ruhen daher auf beratungsorientierten Ansätzen wie dem Mehrwertverkauf. In einer weiteren Befragung von 200 Unternehmen, die Mercuri International zusammen mit der Universität St. Gallen und der German Graduate School of Management & Law erstellt hat, stufen 78 % aller Befragten den Mehrwertverkauf als wichtig oder sehr wichtig ein. Sie versprechen sich davon eine bessere Kundenbindung (81 %), eine Differenzierung vom Wettbewerb (75 %) und die Möglichkeit der Durchsetzung höherer Preise (48 %) (Dannenberg 2011).

Als Synonym wird oft auch Wert- oder Lösungsverkauf genutzt. Doch was steckt dahinter? Handelt es sich dabei um alten Wein in neuen Schläuchen? Haben wir nicht immer Nutzen statt Eigenschaften verkauft? Beim Mehrwertverkauf stehen nicht die Produktvorteile im Vordergrund, sondern der Kundennutzen. Plakativ gesprochen, entsteht ein Produkt beim Hersteller, eine Lösung oder ein Mehrwert beim Kunden. Wie aber kann der Lieferant – oder jetzt besser der Partner – den Kunden dabei messbar unterstützen, dessen Ziele zu realisieren? Gemeinsam Kosten zu senken, indem Prozesse und Abläufe verbessert werden, bietet sich als eine Option an. Weiterhin gibt es auch die Möglichkeit, Umsätze gemeinsam mit dem Partner zu steigern. Ein Mehrwert entsteht folglich für den Kunden im betriebswirtschaftlichen Spannungsfeld von Qualität, Kosten und Zeit. Dies verdeutlicht auch die Abb. 2.

Da mit solchen Lösungen oftmals in das betriebswirtschaftliche Gefüge des Kunden eingegriffen wird, finden sich die Kaufentscheider tendenziell auf höheren Hierarchie-Ebenen wie Geschäftsführer, Bereichsleiter etc. wieder. Das sind nicht die regulären Ansprechpartner des Vertriebs, die über „normale“ Bestellungen entscheiden. Weder im Einkauf noch auf der Anwenderebene. Diese Herausforderungen erschüttern die Anforderungen an das traditionelle Verkaufen in ihren Grundfesten. Verlangt werden z. B. Kenntnisse über die Entwicklung der Kundenmärkte, interne Produktions- und Arbeitsprozesse, betriebswirtschaftliche Kennzahlen, Wertschöpfungsketten der Kunden, Positionierung und Aktivitäten der Wettbewerber oder Marktbearbeitungsstrategien der Kunden. In Abb. 3 wird zusammenfassend die Herangehensweise des traditionellen Verkäufers mit der des Mehrwert-Verkäufers verglichen.

Abb.3: Unterschied zwischen dem traditionellen Verkäufer und dem Mehrwertverkäufer

Aktuell kennen jedoch nach eigenen Aussagen nur weniger als ein Drittel der Verkäufer (Mercuri International 2012) die internen Prozesse ihrer Kunden, ähnlich sieht es beim Wissensstand um die Entwicklungen der Märkte ihrer Kunden (Volumen, Anforderungen und Abnehmerstruktur) aus. Noch schlechter ist es um den Informationsstand zu den Wettbewerbern des Kunden oder den Marktbearbeitungsstrategien bestellt. Die überwiegende Mehrheit der Verkäufer hat damit überhaupt nicht die Voraussetzung, Mehrwert zu verkaufen und sich entsprechend beim Kunden zu behaupten. Es besteht kein Zugang zu den Top-Entscheidern, demzufolge sind die erforderlichen Ansatzpunkte nicht gegeben, da man die Ziele und Motive des Kunden nicht kennt. Erschwerend besitzen viele Anbieter nicht die konkreten Lösungen, die dem Kunden einen wirklich messbaren Mehrwert aufzeigen. Fassen wir zusammen: Die aufgezeigte Option verlangt ein radikales Umdenken nicht nur im Vertrieb, sondern im gesamten Unternehmen. Dazu müssen auch Marketing- und Entwicklungsmitarbeiter einen stärken Kundenkontakt aufbauen und die Kundensituation besser verstehen lernen.

Das Wesentliche im Rückblick

  1. Gewinne werden oft durch eine zu unsystematische und nachgiebige Preispolitik der Unternehmen geschmälert, die Preise sind dabei zu niedrig und führen beim Verkauf der Produkte zu einer Unterdeckung.
  2. Preiszugeständnisse sind nicht an entsprechende Gegenleistungen der Kunden gekoppelt. Service-Leistungen werden als kostenlos „verramscht“, der Gegenwert wird nicht in die Wahrnehmung des Kunden gerückt.
  3. Die mithilfe des Preiswasserfalls dargestellten Handlungsoptionen Preise sowie Konditionen, Service- und Mehrwertleistungen müssen konsequent und professionell eingesetzt werden, damit die eigene Profitabilität gesteigert werden kann.